Tradition

Die Ressel-Tradition

Zu Pillnitz, am Rathaus gehört seit 120 Jahren der Friseur Ressel.

2018

  • 120 Jahre Friseur Ressel

2017

  • Am 1. September stieg Friseurmeister Arvid Ressel mit in das Familienunternehmen ein

2004

  • Umbau und Erweiterung des Friseursalons
  • Einstieg in den Zweithaar-Bereich durch Elke Ressel

2000

  • Erweiterung des Angebots mit dekorativer Kosmetik (Make-up)
  • Abschluss der Visagistenausbildung durch Elke Ressel

1998

  • 100 Jahre Friseur Ressel

Historie

Am 1. April 1898 eröffnet Gustav Ressel hier am Pillnitzer Dorfplatz sein Friseur-Geschäft. Es befindet sich in einem kleinen zweigeschossigen Haus am Fuße des Hausberges, mit seinem Eingang zu Meixbach und Platz hin ausgerichtet (jetzt Am Rathaus 5). Links vom Eingang ist der Herren-Friseur, die Wohnung ist im Obergeschoß. Vor dem Haus führt ein Fußweg am offenen Bachlauf entlang.

Der Bach ist zum Auffangen des Hochwassers zum Dorfteich erweitert. In der hochwasserfreien Zeit ist er Obstwiese und Trocken- und Bleichplan für die Wäsche der Anwohner mit dem mitten hindurch fließenden Meixbach. Hinter dem kleinen Friseur-Haus steigt der eben noch als Weinberg genutzte Hausberg an und ist talwärts durch eine Weinbergsmauer mit dem darin eingearbeiteten Turm, wahrscheinlich einmal ein Weinbergs-Wachturm oder auch Aussichtsturm, begrenzt.

Der Dorfplatz Pillnitz um 1903 mit teichartig erweitertem Meixbach-Bett und gerade neu erbautem Gebäude der Pillnitzer Mühle.

Der Dorfplatz Pillnitz um 1903 mit teichartig erweitertem Meixbach-Bett und gerade neu erbautem Gebäude der Pillnitzer Mühle.

Um die vergangene Jahrhundertwende verändert der Flecken aber schon wieder sein Bild: das am Platz liegende Gebäude der alten Pillnitzer Mühle, in dem zu dieser Zeit die Bäckerei Wendisch und der »Gasthof zur Pillnitzer Mühle« den Mühlenbetrieb schon über ein halbes Jahrhundert abgelöst haben, wird abgerissen und durch einen Neubau ersetzt, ebenfalls wieder mit Bäckerei und Gaststätte (in dem sich heute die Schloß-Apotheke befindet).

Eine neue Situation entstand dann in den Jahren 1926-28, als Familie Ressel im Zuge der Geschäftsübernahme durch Erich Ressel und Frau Elsa das an das Friseur-Haus bachab angrenzende Land kaufte und bei Beräumung der Reste des alten Turmes in der Weinbergsmauer den eingeschossigen Ladentrakt erbaute.

Elsa Ressel übernahm gemeinsam mit ihrem Mann Erich 1926 das Geschäft.

Elsa Ressel übernahm gemeinsam mit ihrem Mann Erich 1926 das Geschäft.

Architekt für die Resselschen Baupläne, die noch auf die verwitwete Anna Ressel, die Frau von Gustav, ausgestellt sind, ist der zu dieser Zeit in Pillnitz mit vielerlei Bauprojekten befaßte Richard Merz. Neben neuen Möglichkeiten für Herren- und Damen-Salon wurde eine recht große Bade-Abteilung mit Wannen eingerichtet.

Der Friseur sah sich zu dieser Zeit auch noch als Bader. Im Mittelalter gehörten neben der Verabreichung von Bädern auch das Haar- und Bartscheren in der Badestube zu den Tätigkeiten des Baders. Der Barbier hingegen war nur für das Rasieren zuständig, ging dazu aber auch von Haus zu Haus.

Beide, Bader und Barbier – gewissermaßen Berufsvorfahren der heutigen Friseure -, übten auch die »niedere Wundmedizin« aus, indem sie unter anderem Zähne zogen, Brüche und Verrenkungen behandelten, Geschwülste heilten. Noch Erich Ressel wurde auch als »Dentist« ausgebildet. Trotzdem hatte die Badeabteilung wohl zu wenig Zulauf und wurde recht bald wieder verkleinert. Dafür wurde ein weiteres Geschäft für den Kürschner Tränkner eingerichtet.

Das schräg gegenüber am Dorfplatz befindliche Postamt war 1911 Sparkasse geworden und wird 1925 Rathaus, dem bis zur heutigen Stadtsparkassen-Nutzung aber noch viele Wandlungen folgen sollten. Im Rathaus ist das Gemeindeamt mit Bürgermeister Johann Klippel anzutreffen, der seit 1915 als ehrenamtlicher Gemeindevorstand und seit 1924 als hauptamtlicher Bürgermeister tätig ist.

Die nächste gravierende Zäsur für die Veränderung des Dorfplatz-Bildes war 1933, als der Meixbach unter die Erde verlegt und der Dorfteich verfüllt wurde. Seither quert der Bach unterirdisch den Platz und die Ressel-Ecke präsentiert sich mit der Grünanlage davor, immer noch aber gab es den Fußweg an der Häuserfront entlang.

Friseur und Frisuren gehen mit der Zeit. Im Friseurgeschäft sind bei lange bestehender Trennung zwischen Herren- und Damen-Salon (»Herren bedienen Herren und Damen bedienen Damen«) neben dem Meister immer auch Gehilfen und Gehilfinnen beschäftigt und werden Lehrlinge ausgebildet.

Bei der Kundschaft ist es so, daß die Frauen wöchentlich zum Friseur kommen, ein großer Teil der Männer kommt neben dem Haarschneiden täglich bis zweitägig zum Rasieren. Das endet dann ab den 1950er Jahren mit der Verbreitung der Rasier-Apparate immer mehr. Die strenge Trennung zwischen Damen- und Herren-Salon sowie -Bedienung wird bereits in den 1940er Jahren gelockert und schließlich ganz abgeschafft.

Die Einrichtung des Friseur-Salons in den 1960er Jahren nach der Übernahme durch Elfriede und Roland Ressel.

Die Einrichtung des Friseur-Salons in den 1960er Jahren nach der Übernahme durch Elfriede und Roland Ressel.

Einen Umbau im Inneren des Laden-Komplexes gab es nach dem Zweiten Weltkrieg, als die restliche Wannen-Einrichtung entfernt wurde, um Fläche für die Erweiterung des Geschäftes zu erhalten. Einen schönen Spaß machte sich Nachbar Tränkner 1950 zum 50. Geburtstag von Erich Ressel, indem er über dem Laden ein Schild anbrachte: »Erich Ressel hat heute 50. Geburtstag, Geschenke sind in der Küche abzugeben!« Familie Ressel wunderte sich einen großen Teil des Tages über den regen Zulauf und das zielgerichtete Ansteuern der Küche.

»Friseur Ressel« das angestammte Geschäft am Platz, so daß auch für Sohn Roland die Laufbahn klar war. Seine zukünftige Frau lernt er als Lehrling des Geschäftes kennen. Schließlich war es 1965 so weit, daß die »Jungen« das Geschäft übernahmen. Auch diese Übernahme war mit Umbauten verbunden: diesmal mit der Neugestaltung des Damen-Salons.

Elke Ressel mit »Abendfrisur« von Thomas Ressel zur Bezirksmeisterschaft 1985. Foto: G. Starke

Elke Ressel mit »Abendfrisur« von Thomas Ressel zur Bezirksmeisterschaft 1985.
Foto: G. Starke

Das Geschäft etabliert sich in den 1960er und 1970er Jahren unter der Führung des Meister-Ehepaares Elfriede und Roland weiter. Bald wächst Sohn Thomas in den Beruf hinein, macht 1978 seinen Berufsabschluß und ist in den nächsten Jahren auf vielen Friseur-Meisterschaften im In- und Ausland vertreten. 1983 erringt er die Bronzemedaille bei der DDR-Meisterschaft.

Beim Tanz im »Parkhotel« lernt er seine als Sekretärin arbeitende spätere Frau Elke kennen – beide haben am gleichen Tag Geburtstag! – und kann auch sie für die Frisuren-Kunst begeistern. Sie läßt sich im Salon Ressel zur Friseuse ausbilden und verstärkt Familie und Friseur-Mannschaft. Ihrem Mann ist sie bei Friseur-Meisterschaften oft Modell.

Mit der politischen und wirtschaftlichen Wende in der DDR vollziehen Ressels die nächste Generationen-Wende. 1990 übernehmen Thomas und Elke Ressel das Geschäft und modernisieren es 1991: Generationen-Übergaben/-Übernahmen sind bei Ressels immer auch mit Geschäftsumbauten verbunden! Vor allem wird die inzwischen historische Spiegelwand der Kundenplätze vom 1926er Umbau wieder richtig zur Geltung gebracht.

Auch die zwischenzeitlich im Galvanisierbad verlorengegangenen, dann nachgearbeiteten und wieder frisch vergoldeten Buchstaben der Geschäfts-Aufschrift weisen auf das alte neue einhundertjährige Friseur-Geschäft am Pillnitzer Platz Am Rathaus, wie der Dorfplatz seit den 1920er Jahren offiziell heißt, hin.

Im friseurgeschichtlichen Rück- und Ausblick sagt Thomas Ressel: »Mit der Gründerzeit begann auch für den Friseurberuf der Aufbruch. Wurde zur Jahrhundertwende noch onduliert, begann in den zwanziger Jahren mit dem Bubikopf die Zeit der Haarschnitte, dazu kamen danach die Dauerwelle und wellig lockige Frisuren.« Nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmten Modeschöpfer oder Stars von Bühne und Film die Mode. 1963 traten die Beatles mit ihren Pilzköpfen ins Rampenlicht, die Hippie-Welle kam, die Schüttelfrisuren, der Punk, Grungelook, Purismus und jetzt – heute, morgen – der Trend Ende der 1990er.

Schau-Frisieren zum Elbhangfest 1992.

Schau-Frisieren zum Elbhangfest 1992.

Er entsteht aus der Vereinigung der Trends der letzten 80 Jahre, verbunden mit neuen Elementen wie Volumen-Welle oder mehr farbigen Strähnentechniken. Mode wird immer stärker zur Körpersprache, zum Ausdruck des eigenen Ichs. Es tauchen ständig neue Trends auf, dadurch ist es immer schwieriger geworden, dem haar-modischen Zeitgeist auf der Spur zu sein. Das heißt, wer wissen will was ,In‘ ist, muß sich in der Szene umsehen, auf Popkonzerte gehen, aktuelle Kinofilme und Musikvideos sehen.“ Elke und Thomas Ressel informieren sich national und international über neueste Trends, wie kürzlich erst in London, dem Mekka der Friseure.

Besonders am Jubiläums-Tag, dem 1. April, sind alle in und vor das Geschäft eingeladen, sich selbst davon zu überzeugen. Im Geschäft wird eine historische Ecke der einhundertjährigen Geschichte des Ressel-Salons gewidmet sein.

Vor dem Geschäft wird ein Festzelt Maßstäbe für Geschäfts-Jubiläen setzen. Vielleicht wird auch wieder ein Schild stehen: »Ressels haben heute 100. Geschäfts-Geburtstag, …«

Aus: »Elbhang-Kurier« Ausgabe 4/98, Text: Dieter Fischer, © 1998 Elbhang-Kurier-Verlag Dresden